haunibeinl

das bienenvolk

die situation in so einem bienenvolk ähnelt ein wenig der, als brian am fenster steht und zum volke spricht: ihr seid doch alle individuen! darauf die bienen im chor: ja, wir sind alle individuen!!! und die königin kleinlaut: ich nicht…

also was nun? gehn wirs mal von vorne an (wo immer auch vorne sein mag – siehe huhn-ei-problematik). so ein bienenvolk besteht ja aus verschiedenen bienen, und jetzt alle zusammen: königin, arbeiterinnen und drohnen. sehr gut, setzen. auf die schnelle auch gleich die aufgaben verteilt: die königin legt eier, die drohnen fliegen rum und haben spaß, und die arbeiterinnen machen die ganze arbeit. naja, ganz so einfach ist das auch nicht…

ich versuchs mal an einem ende aufzuziehen. da der ganze reproduktionszyklus ein, naja, zyklus ist, also ein kreislauf eben, gibts keinen anfang und kein ende. wir steigen einfach mittendrin ein. sagen wir, wir haben einen frischen schwarm eingefangen. die bienen werden so schnell wie möglich mit dem wabenbau beginnen, um der königin das eierlegen zu ermöglichen. kaum sind die ersten zellen einer wabe im brutraum fertig ausgebaut, kommt auch schon queen mom und bestiftet die zelle (das ei wird auch stift genannt). ist das ei gelegt, endet auch schon wieder der zuständigkeitsbereich der königin, ab jetzt übernehmen arbeiterinnen die brutpflege. aus diesen stiften können sich nun drei verschiedene ,typen‘ an bienen entwickeln:

erstens: die arbeiterin (weiblich). der befruchtete stift (das ei) wurde in eine leere zelle gelegt. drei tage später schlüpft aus diesem stift eine kleine made. diese wird nun gefüttert: zuerst, wie alle larven, mit gelée royale (dem so genannten königinnenfuttersaft), ein energiereicher futtersaft, der von jungen arbeiterinnen in speziellen drüsen gebildet wird. später wird die ernährung umgestellt, und die maden werden mit pollen bzw. bienenbrot und honig weitergefüttert. sechs tage lang liegt die larve in der offenen zelle und wird immer größer. dann wird die zelle von arbeiterinnen verdeckelt und die metamorphose beginnt. nach 12 tagen ist die umwandlung abgeschlossen und die junge biene schlüpft aus ihrer zelle, indem sie den deckel aufbeißt. tada, welcome on planet beehive. gesamte zeit von der eiablage bis zum schlüpfen der biene: 21 tage.

zweitens: der drohn (oder die drohne; männlich). der unbefruchtete (!) stift wurde in eine – im vergleich zur arbeiterinnenzelle größere – drohnenzelle gelegt. auch hier schlüpft nach drei tagen die larve und wird weitere sechs tage zunächst mit gelée royale und später mit anderen leckereien gefüttert. die folgende metamorphose in der verdeckelten zelle dauert hier länger, etwa 15 tage. und weil die larve in einer größeren zelle heranwächst, ist der drohn am ende auch um einiges größer als eine arbeiterin. warum das so sein muss, hab ich allerdings noch nicht herausgefunden… gesamte zeit von der eiablage bis zum schlüpfen des drohns: 24 tage.

drittens: die königin (weiblich). auch sie entspringt einem normalen, befruchteten stift. allerdings wird der stift gleich nach der ablage von den arbeiterinnen in eine speziell angefertigte zelle, die weiselzelle, gebracht. es dauert wieder drei tage bis zum schlupf der larve. gefüttert wird sie, und das ist jetzt der unterschied, ausschließlich mit gelée royale. in diesem futtersaft sind nicht nur alle stoffe enthalten, die in der larve später die entwicklung der geschlechtsorgane anregen werden, sondern er ist noch dazu extrem energiereich. deshalb dauert die fütterungszeit in der offenen zelle auch nur 5 tage, und die metamorphose in der verdeckelten weiselzelle ist bereits nach 7 tagen abgeschlossen. zeit vom ei bis zur königin: 15 tage.

so, jetzt wissen wir mal, wie das mit dem nachwuchs so ist, quasi die sache mit den bienen und den blumen. es wird noch ein wenig spannender, aber besprechen wir vorerst noch die aufgaben dieser frisch geschlüpften wesen. in unserem beispielvolk, dem frisch gefangenen schwarm, beginnt nun die königin die ersten eier in die frisch gebauten brutwaben zu legen. 21 tage später schlüpft die erste arbeiterin. das hab ich schon mal zufällig beobachtet beim begutachten einer brutwabe: von innen wird der wachsdeckel aufgenagt und die junge biene krabbelt raus aus der zelle und spaziert erst mal etwas unsicher auf der wabe herum. wir kennen das sicher alle: ach du lieber himmel, so früh am morgen, und wo ist der kaffee?

was wird denn nun aus unserer jungen biene? jetzt wirds interessant. im volk gibts ja viele verschiedene aufgaben, die jeweils spezielle arbeiterinnen ausführen. bei anderen sozialen insekten, zum beispiel bei ameisen, sind die verschiedenen typen ja genetisch determiniert. also das heißt im endeffekt, dass ein bestimmter typ an arbeiterin als solcher geboren wird, und es immer bleibt. bei den bienen allerdings ist die spezialisierung vom alter abhängig: in den ersten zwei tagen ist die arbeiterin fürs zellen reinigen zuständig. nach dem schlüpfen der jungen bienen müssen die zellen gereinigt werden, ansonsten legt die königin keine eier rein. anschließend, von tag 3 bis tag 11 ist die arbeiterin eine ammenbiene, also für die brutpflege zuständig. am kopf entwickelt sich eine spezielle drüse, in der das gelee royale gebildet wird, mit dem die larven gefüttert werden. langsam geht die aktivität der drüse zurück, gleichzeitig wird eine andere drüse aktiv: die wachsdrüse. die tage 12 bis 17 stehen nun ganz im zeichen des wabenbaus. die drüsen sitzen zwischen den hinterleibssegmenten, die bienchen „schwitzen“ kleine wachsplättchen aus diesen drüsen aus, die von anderen eingesammelt und verbaut werden. weiters müssen alte zellen repariert, und nebenbei honig und pollen verarbeitet und gelagert werden. von tag 18 bis tag 21 ist die arbeiterin als stockbiene eingeteilt, und damit für alles, was sonst noch so zu tun ist: den müll nach unten bringen, tote bienen rausschaffen, propolis verteilen, den eingang verteidigen, stock belüften und wasser holen zum kühlen (wenns im stock zu heiß wird, holen die bienen wasser und bringen kleine tröpchen auf die waben auf – durchs verdunsten wirds kühler). ab tag 22 werden wachs- und futterdrüsen vollständig zurückgebildet, und die letzte drüse, die giftblase, entsteht. und damit gehts dann ab ins freie: jetzt ist die arbeiterin bis an ihr lebensende fürs nektar, pollen, propolis und wasser suchen und einholen zuständig. als flugbiene hat so eine arbeiterin noch etwa 20 tage zu leben, insgesamt also bis zu 45 tage. sie stirbt letzten endes schlichtweg an überarbeitung: pro tag fliegt sie 7-15 mal aus, dabei jedes mal bis maximal 2 kilometer vom stock weg, mit durchschnittlich 25km/h. da kommen in den 20 tagen also flugbiene einige hundert kilometer zusammen. am ende sind die flügel brüchig und zerfetzt, die flugmuskeln erschöpft und verbraucht. ende.

das leben eines drohns ist etwas weniger abwechslungsreich, aber nicht unbedingt langweilig, und schon gar nicht romantisch. nach dem schlüpfen dauerts erst mal noch ein paar tage, bis der junge drohn geschlechtsreif ist. diese zeit, und den rest seines lebens wird er von den arbeiterinnen im stock gefüttert – er kann sich nicht selbst ernähren. ist er geschlechtsreif, macht er sich (mit hunderten anderen aus dem stock) auf den weg zu den drohnensammelplätzen, den drone congregation areas (dca). das sind orte in der luft, an denen sich bis zu 20.000 drohnen aus den umliegenden völkern tag für tag versammeln und auf junge königinnen warten, die sie begatten könnten. wie dieser ort festgelegt wird, und warum alle dorthin finden, ist noch ein rätsel. wer nun aber glaubt, drohnen wären nur zur fortpflanzung da, täuscht sich: im stock übernehmen sie noch andere aufgaben, wie das wärmen der brut, temperieren des stockes, oder verwirren von eindringlingen (stachel haben sie ja keinen, also versuchen sie zumindest böse zu summen). das ende eines drohns ist aber auf jeden fall tragisch: wird er beim hochzeitsflug von einer königin auserkoren, darf er sie begatten – und reißt sich wortwörtlich den hintern auf, der penis mitsamt umliegenden gewebes bleibt an der königin hängen. der drohn stirbt. kommt es nicht zur begattung, hat der drohn noch einige unbeschwerte wochen im bienenstock. mit einsetzen der ersten trachtlücken (zeiten, in denen wenig nektar verfügbar ist), spätestens aber im herbst werden die drohnen von den arbeiterinnen aus dem stock verjagt. bei futterknappheit will sich das volk drohnen nicht mehr leisten, zumal die paarungszeit da meist schon vorbei ist. genausowenig werden drohnen im herbst benötigt, das volk macht sich für den winter bereit, drohnen werden nicht mitüberwintert. das spektakel nennt sich drohnenschlacht und ist brutal anzusehen: sie werden einfach vors flugloch gezerrt, teilweise von mehreren arbeiterinnen zugleich, und wer sich wehrt, wird totgestochen. wer sich nicht wehrt, muss verhungern. ende.

und nun zur königin. da gibts eigentlich nur am anfang dramatik, dann wirds den rest ihres lebens ruhig. prinzipiell entscheidet mal das volk, ob es überhaupt eine neue königin braucht. und das geht so: eine königin sendet ein spezielles pheromon aus, das queen mandibular pheromone (mandibeln sind die mundwerkzeuge der insekten), oder auch königinnensubstanz genannt. dieses wird von den arbeiterinnen im ganzen volk verteilt und ist ein signal für die anwesenheit und gesundheit der königin. solange genug davon da ist, sind alle glücklich. lässt nun aber dieser duft nach, also sinkt die konzentration des pheromons im volk, hat das zwei ursachen, und eine konsequenz. ursache eins: die königinn ist weg. gestorben, von imker_innen unabsichtlich zerquetscht, vergiftet, was auch immer. niemand da, der das pheromon produziert. panik. ursache zwei: die königin kommt langsam in die jahre. ihre legetätigkeit nimmt ab, parallel dazu auch die pheromonproduktion. das ist in der regel nach 3-4 jahren der fall, es soll aber auch schon 8 jahre alte königinnen gegeben haben, die bis zum schluss fleiszig eier gelegt haben. na jedenfalls: auch panik, das volk braucht ja ständig nachwuchs. die konsequenz: eine neue königin muss her. wie oben beschrieben, tragen die arbeiterinnen heimlich ein frisch gelegtes ei in eine still und heimlich gebaute weiselzelle, um eine königin heranzuziehen. und weil sie auf nummer sicher gehen wollen (oder müssen), gleich mehrere auf einmal, meist um die 4. und jetzt kommt die dramatik ins spiel: die erste königin, die schlüpft, versucht sogleich, die anderen zu erstechen, noch in den verdeckelten zellen. weil es kann nur eine geben. dieser stock ist zu klein für uns zwei. entdeckt sie eine zu spät, oder schlüpfen sie gleichzeitig, kann es auch zu einem  kampf kommen, ebenso mit der alten. also kaum auf der welt, und schon gewalttätig. kriegt die alte das rechtzeitig spitz, zieht sie mit einem teil der belegschaft aus – das volk schwärmt (das kann auch andere gründe haben, aber fürs erste belassen wirs dabei). die junge königin fliegt in den nächsten 1 bis 2 wochen mehrmals aus, um sich zu paaren, mit insgesamt etwa 12 verschiedenen drohnen. die mischung der spermien dieser drohnen sammelt sie in der samenblase, was im schnitt für 4 jahre ausreicht (damit sind übrigens die arbeiterinnen eher halbschwestern – selbe mutter, verschiedene väter). den rest ihres lebens verbringt sie dann in der dunkelheit des stockes, unterbrochen von eventuellem schwärmen im jahr darauf und der neugierde der imker_innen. ständig umgeben von ihrem hofstaat (einige arbeiterinnen, die die königin füttern und pflegen), legt sie bis zu 2000 eier pro tag (in der vegetationszeit, im winter ist pause). dabei kann sie steuern, ob sie ein befruchtetes ei legen will, woraus im normalfall eine arbeiterin wird, oder ob sie ein unbefruchtetes ei legen will, woraus dann nur eine drohne werden kann. und das macht sie so lange, bis sie zu alt bzw wegen schlechter gene „müde“ ist, oder ihr die spermien ausgehen. dann wird sie wieder ersetzt.

so, das war jetzt wohl etwas lang, aber dennoch muss ich darauf hinweisen, dass diese zusammenfassung wohl auch nur vereinfachend darstellt, was im bienenvolk an komplexen vorgängen anzufinden ist. also da gibts noch wesentlich mehr zu sagen und viele ausnahmen, aber für ein grobes verständnis reicht das mal. alle details findet sowieso nur raus, wer sich intensiv damit befasst, und am besten selber bienen hat – denn, wie wenn der regelfall nicht schon kompliziert genug wäre, es gibt immer wieder dinge zu sehen, die es eigentlich laut lehrbuch nicht geben sollte.

aber abschließend vielleicht noch eine betrachtung zum bienenvolk in seiner gesamtheit: das ganze ist ja ein wenig schwer zu begreifen. wie so oft wird das ganze ein wenig zu „vermenschlicht“ dargestellt. dazu kommen namen wie „königin“ oder „arbeiterin“, die eine gewisse hierarchie im volk suggerieren und glauben lassen, da gäbe es instanzen, die dinge entscheiden, und andere, die befehlen folgen. wertigkeiten drängen sich da auf, die „wertvolle“ königin, die „ersetzbaren“ arbeiterinnen, und vielleicht noch „faule“ drohnen. alles dinge, die nur unserem wertedenken entspringen, und mit der realität wenig gemeinsam haben. schließlich könnte es auch anders betrachtet werden: da werden konkurrentinnen abgestochen, drohnen rausgeschmissen und dem hungertod überlassen, arbeiterinnen fliegen bis zum muskelverschleiß, königinnen werden ersetzt… im endeffekt sind in einem bienenvolk alle gleichermaßen ‚versklavt‘ wie ‚verantwortlich‘: die königin, so ehrbar auch ihr name klingt, legt nur eier, und trifft keine entscheidungen. selbst die befruchtung des stiftes ist im endeffekt nur dadurch ausgelöst, ob sie eine kleine zelle (für arbeiterinnen, also befruchtet), oder eine große zelle (für drohnen, unbefruchtet) bestiften soll. die arbeiterinnen wiederum sind vollkommen beieinflußt vom königinnenpheromon. entscheidungen treffen auch sie nicht, sie spulen einfach ihr programm ab, solange genug vom pheromon da ist. ja und die drohnen, bei denen läuft ein ganz eigener film, den hat noch niemand richtig durchschaut. aber zu melden haben sie genausowenig wie alle anderen.

die sicht auf das individuum (womit wir wieder bei brian wären) führt leicht zu verklärungen – aber ein paar schritte zurückgehen, und das volk wird in seiner gesamtheit als superorganismus sichtbar. und darum gehts wohl in wirklichkeit. ein riesiges (soziales?) gefüge an individuen, irgendwie gleich, aber nicht. same, same, but different. und als ganzes funktioniert dieser organismus perfekt. alles hat seinen platz und seine aufgabe. der organismus bienenvolk lebt, ernährt sich, pflanzt sich fort (schwärmen). warum er funktioniert, ist wohl eine philosophische, wenn nicht sogar eine spirituelle frage. vielleicht wars die evolution, vielleicht auch bob der baumeister.

das volk als ganzes wird übrigens auch als „der bien“ bezeichnet. mir gefällt das aber nicht, deswegen verwende ich den begriff auch nicht. ich meine, ein volk, das in seiner blütezeit aus etwa 60.000 bienen besteht, von denen bis auf ein paar hundert drohnen alle weiblich sind, braucht als „übergeordnete“ bezeichnung, um das „höherstehen“ des komplexes zu verdeutlichen, keinen männlichen namen. auch wenn das in der tradition der naturwissenschaften steht (wofürs auch viele beispiele gibt). das ist meine meinung, aber ich wollts nur mal erwähnt haben.

2 Gedanken zu „das bienenvolk

  1. Hej Haunibeinl

    Danke, das war bisher die beste und einfachste Zusammenfassung ueber „das“ Bien ;-) und dessen Mitgliedern die ich gelesen habe!
    Bin zwar noch nicht einmal ein Anfänger sondern nur Einsteiger (da mir als Seemann die Zeit an Land fehlt), aber das wird sich bald ändern…plane ich.

    Und jetzt werde ich mal hier weiterlesen…

    Gruss von der Nordsee

    Kap Horn

    • Das versteht man!
      Wir sind zwar im warmen Süden, aber gerade hier hätten es die Bienen ja mal so richtig gut. Man sieht jetzt Mitte Oktober immer noch Wildbienen an den vielen Blüten. In Apulien blüht es im Winter ja heftigst, Calendulablumen wie Teppiche, Rosmarin, Wildgemüse – alles blüht!
      Freu mich auf mehr und hab die Zusammenfassung verlinkt bei mir auf der „Alternativen Seite“.

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